auf gehts...

Ich habe keine wirkliche Ahnung was ein Blog ist, bzw. was man damit macht. Also werde ich - wie bei dieser gesamten Homepage - learning by doing vorgehen. Mal sehen was dabei rauskommt.

 

 Vor vier Jahren habe ich Berlin nach 65 Jahren verlassen und bin  aufs Dorf  gezogen.

Vor allem aus einem Grund: ich hätte mir in Berlin mit meiner Rente nur noch eine Wohntoilette mit Kochnische leisten können, keinesfalls eine so hübsche kleine Wohnung wie diese hier.

Und Berlin war auch nie wirklich meine Leidenschaft...

 

Das Bild zeigt den Tag meines Einzuges.

Einige Stunden später sah ich wesentlich erledigter aus...

 

Es war mein - mal nachrechnen - ich glaube 15. Umzug.

Zwillinge sind wohl ausgemachte Wandervögel...

 

Ich kann hier Fotos von meiner neuen Heimat reinstellen??? 

Mache ich doch! 

Ab morgen. 

Jetzt ist Schlafenszeit.

 

Burgen - allüberall. Man kann sich buchstäblich auf jedem zweiten Hügel und alle fünf Minuten eine Burg eintreten. 

Ich liebe Burgen.

Das hier ist die Daseburg, die allerdings von unten und von weitem bedeutend eindrucksvoller aussieht als sie tatsächlich ist. Aber man hat einen tollen Ausblick, wenn man erstmal hoch geschnauft ist.

Da gibt die Krukenburg bei weitem mehr her, eine Burganlage aus dem 13.-16. Jahrhundert, die - so die Sage - von Kruko erbaut worden war, einem der Riesen des Reinhardswaldes, von denen es buchstäblich gewimmelt haben muss - "denn einst bewohnten mächtige Riesen die Berge des Reinhardswaldes zwischen Diemel und oberer Weser, von denen Kruko der mächtigste war."

Allerdings hatte er Familienärger, nämlich zwei brave und eine missratene Tochter, Saba, Brama und Trendula. Ebenfalls Riesen.

Ältestes Bauwerk auf dem Krukenberg ist die in der Mitte liegende Höhenkirche, eine frühe romanische Taufkirche. Die Pläne zum Bau der 1126 geweihten Kirche stammen aus dem Vorderen Orient. Der Bergfried ist erhalten und bietet ebenfalls eine berauschende Aussicht - wenn man es hinaufschafft. Damals habe ich es noch geschafft... und da oben wuchs tatsächlich eine Sonnenblume aus dem Mauerwerk!

Das Gelände hat eine unglaublich schöne Atmosphäre. Ich glaube ich hab fast zwei Stunden dort gesessen. Kruko muss ein netter Riese gewesen sein...

Im nahen Museum kann man - außer einem Faksimile  des  Evangeliars Heinrichs des Löwen - wunderschön! - auch ein Modell der Krukenburg sehen.

Heute ist der 25.6.2017

Ich glaube nicht an Zufälle und daher bin ich ganz sicher auch nicht zufällig an der Märchenstraße gelandet - und noch dazu in der Dornröschenstadt - was mir allerdings tatsächlich erst klar wurde als ich hier war!

 

Von allen Märchen war mir dieses immer das liebste - ob schon vor dem zauberhaften Disneyfilm, den ich auch heute noch für den schönsten und gelungensten halte, oder erst danach kann ich nicht mehr sagen.

Vermutlich immer schon.

Schneewittchen fand ich schon als Kind saudumm und Cinderella nervtötend - aber Dornröschen war der Renner, nicht zuletzt auch wegen der wundervoll adaptierten Musik von Tschaikowsky.

Ich weiß nicht, wie oft ich ihn gesehen habe - manchmal zweimal hinter einander, wenn ich nach der ersten Vorstellung nach Haus gerast bin um mir weitere 50 Pfennig zu holen (!) - aber ich konnte den gesamten Film Wort für Wort auswendig hersagen -und niederschreiben...

So schön wie Aurora war keine Prinzessin...

"...schön wie das Märchen selbst..." Originalton Malefiz, die ich im übrigen so faszinierend  fand dass ich beim Fasching nicht als Prinzessin sondern als böse Fee auftrat.

Mit großem Erfolg, nebenbei bemerkt. Ich glaube, da war ich 17 und gerade meinem Elternhaus - sofern man es als solches bezeichnen möchte, denn ich wäre bei weitem lieber im Wald bei drei Feen aufgewachsen - entkommen.

Die Sababurg hat wirklich keine Ähnlichkeit mit Disneys zuckersüßem Traumschloss, wird aber dennoch hierzulande als Dornröschenschloss gehandelt und hat auch durchaus etwas märchenhaftes. (Obwohl sie doch eigentlich von der Riesin Saba erbaut wurde, um ihrer bösen Schwester zu entkommen... was ihr übrigens nicht gelang.)

Es gibt einen rosenbewachsenen Turm und einen ebensolchen Eingang dazu. Und es kann tatsächlich passieren dass man Dornröschen und ihrem Prinzen  begegnet - auf dem Fahrrad...

Aber was den gepriesenen Rosengarten angeht so kann man ihn sich getrost ersparen. Meine Rosen sehen bei weitem prächtiger aus und ich verlange keine 4 € Eintritt für einige rostzerfressene und abgewelkte Rosenbüsche!

Unterhalb des Schlosses gibt es einen großen Tierpark, der 1571 vom damaligen Landgrafen, Wilhelm IV. eingerichtet wurde.

Als Jagdrevier versteht sich.

Er ist über 130 Ha groß und hat eine Menge Urgetier im Angebot. Am entzückendsten sind die Erdmännchen, gefolgt von den Sittichen. Am traurigsten die Greifvögel...

Um die Wölfe wird ein Mordsgedöns veranstaltet, weil sie wohl, neben den Elchen, die Attraktion sind. Gesehen hab ich keinen, denn man muss ziemlich gut zu Fuß sein um dorthin zu gelangen...

Sehenswert ist die Anlage auf jeden Fall, selbst wenn man es nur bis zu den Bibern schafft. Man fühlt sich tatsächlich wie in Dornröschens Wald - sofern man die vielen Touristen ausblendet...

27.06.17

 

 

Dann haben wir da noch die Trendelburg, die über der gleichnamigen Ortschaft thront, und sogar bewohnt und bewirtschaftet wird.

Neben einem Bergfried - den zu besteigen Geld kostet, daher habe ich es gelassen - von dem Rapunzel regelmäßig bei lärmenden Festen ihren Zopf runterschmeißt, gibt es im restaurierten Palas höchst feudale Hochzeitssuiten zu mieten und zuvor heiraten kann man dort glaube ich auch.

Und es gibt ein Restaurant bei dessen Preisen schon allein für ein Tässchen Kaffee man als armer Rentner ängstliche Augen kriegt.

 

Aber die Aussicht ist fantastisch...

Unterhalb der Burg, direkt an der emsig dahineilenden Diemel, steht die Trendula, eine  Riesin, die  von einem Blitz auf freiem Feld erschlagen wurde, nachdem sie ihren Schwestern Saba  und Brama  den Garaus gemacht hatte. Trendula war  den heidnischen Göttern treu geblieben, und daher kam es  zu handfestem Zoff mit ihren beiden christlich getauften Schwestern.  Brama war offenbar eine ausgemachte Heulsuse und erblindete vom vielen Weinen. Die Schwestern ließen schließlich neue Burgen (die Sababurg und die Bramburg auf dem anderen Weserufer) bauen, um sich von ihrer Schwester zu trennen. Aus Wut erwürgte Trendula ihre Schwester Saba im Gebiet der Mordkammer. (keine Ahnung wo die sein soll) Wie es aussieht hat der Christengott den beiden nicht beigestanden, sondern sich darauf beschränkt die böse Schwester zu bestrafen, denn sie wurde daraufhin im Bereich der Wolkenbrüche (tiefe Erdtrichter bei Trendelburg) vom Blitz erschlagen.

Na - die Wolkenbrüche hab ich gefunden und sie sind wirklich unheimlich...

Und - na klar - war das böse Riesenweib eine Heidin, die den tugendhaften Christenschwestern an den Kragen ging.

Während der allerchristlichste  Karl le Grand völlig rechtmäßig die Irminsul umlegte und 8000 Sachsen gleich dazu... Hat nicht der Nazarener irgendwas von "liebet eure Feinde" erzählt?...

Die Kuh in ihrer Hand war übrigens  ihr Spielzeug...

https://heimatvereintrendelburg.jimdo.com/die-sage-von-trendelburg/

Warum die Trendelburg Rapunzel zugeschrieben wird - keine Ahnung. Wahrscheinlich dem Tourismus zuliebe, weil heidnische Riesinnen nicht soviel hermachen...

 

28.06.2017

 

Ich hab hugenottische Vorfahren. Die sind  vielleicht Ende des 17. Jhr. in Berlin - Brandenburg angekommen, begrüßt vom großen Kurfürsten, der ihre handwerklichen Talente sehr zu schätzen wusste. Meine Vorfahren waren offenbar Schneider - dem Namen nach zu urteilen. Sie hießen Jupé, später einfach Jupe, was nichts anderes heißt als Rock.

Bis 1997 gab es sogar einen französischen Premierminister dieses Namens, der in Frankreich also wohl ähnlich verbreitet ist wie hier Müller - Meier - Schulze.

Vielleicht sind die Jupes aber auch erst in Hessen gelandet, denn hier erklärt sich jedes zweite Dorf als Hugenotteneiland.

Allen voran Bad Karlshafen - wohin ich - welch ein Zufall! - 1983 eine Klassenfahrt mit  unternehmungslustigen Achtklässlern  unternommen hatte.

Sie war ein zweischneidiger Erfolg, wenn ich mich recht entsinne. Die Schüler - vor allem die Schülerinnen - die mich zunächst nicht dabei haben wollten, weil sie sich auf einen feschen Praktikanten als Begleitung versteift hatten - wurden meine treuesten Gefolgsleute, während ich mit dem Co-Lehrer anschließend wieder per Sie war...

Grund? Die Jünglinge wollten unbedingt ihre Trinkfestigkeit unter Beweis stellen und kamen nach dem ersten Ausgang mit wehender Fahne zurück. Bedauerlicherweise stand ich an der Tür und ließ jeden der ein Fähnchen hatte ein Löffelchen Chinaöl kosten. 

Man probiere es mal aus...

Mich wundert heute noch, dass sie es geschluckt haben - aber vermutlich fanden sie es immer noch weniger gemein, als in Schande nach Hause geschickt zu werden, was der Lehrer unbedingt wollte, worauf wir uns mächtig zofften und anschließend wieder per Sie waren. Wie bereits erwähnt.

Die alte Jugendherberge wurde irgendwann aufgegeben und nach Helmarshausen umgesiedelt, wo derzeit asylsuchende Jugendliche untergebracht sind.

Auch Karlshafen wirkt irgendwie aufgegeben - trotz der Wesertherme. Ein Geschäft nach dem anderen schließt und der Hafen - Zankobjekt der Gemeinde - verschlammte im Laufe der Zeit immer mehr und ist inzwischen ausgetrocknet.

So wie die eigentlich so schöne kleine Stadt...

 

29.06.2017

Im November letzten Jahres drangen zwei verängstigte Wildschweine in die Wesertherme ein. Offenbar wurden sie durch  eine im Solling stattfindende Treibjagd in Panik versetzt und sind durch die Weser schwimmend in den Garten der Therme gelangt. Während eines der Tiere sich unter die Becken verirrte, hat ein zweites den Weg in die Therme gefunden. Das Wildschwein ist durch das Becken geschwommen (5% Sole!) und dann in die Gastronomie gerannt, wo es durch die Mitarbeiter festgesetzt werden konnte.

 Es konnte durch einen Hinterausgang getrieben werden und ist über den Parkplatz zurück durch die Weser in den Solling geflüchtet. 

Das zweite Schweinchen  konnte ebenfalls in der Gastronomie festgesetzt werden. Vielleicht hatten die beiden Hunger.

Passiert ist nix weiter, niemand wurde verletzt und jeder hofft, dass auch die Wildschweine  den Jägern entkommen sind.

Der Solling ragt gegenüber der Therme hoch auf und ist außerdem beliebtes Spaziergebiet.

Natürlich muss man dort eine Treibjagd abhalten...

Wie mutig muss man sein - oder wie verängstigt - um sich in den Fluss zu stürzen und in wildfremdes Gemäuer einzudringen, in der Hoffnung auf Hilfe?

Denn welchen Grund können sie sonst gehabt haben?

Ich hoffe sie wurden nie erwischt!

 

Um die Rundreise abzuschließen - da sind noch die Weserklippen, die urplötzlich aus dem Fluss aufragen und von denen man einen Wahnsinnsausblick hat - es sei denn man hat Höhenangst.

 

30.06.2017

 

Heute - 1. Juli 2017 - bin ich vier Jahre hier und hab noch keinen Augenblick bereut hergekommen zu sein.

Zugegeben - die Wege sind etwas länger und Aldi ist nicht um die Ecke, um mal eben mit dem Fahrrad hinzudüsen. Und überhaupt Fahrrad ... Wenn ich sehe, dass meine Nachbarin Herta, demnächst 75  Jahre alt, mit ihrem Drahtesel über Berg und Tal und kilometerweit fährt, fühle ich mich als ziemliche Lusche, denn ich kann es nicht. Ich komme aus der Ebene und Berlins einzige Hügel sind Trümmerberge, auf die hinaufzufahren wohl keinem Berliner in den Sinn käme. Ich bin immer viel mit dem Rad gefahren - aber hier machts mir keinen Spaß, weil ich alle 100 m absteigen und schieben muss. Und ein Pedelec ist finanziell nicht drin und auch nicht so mein Ding. 

Aber die hiesigen Damen machen Radtouren, dass mir schier die Augen aus dem Kopf kullern, laden mich freundlich dazu ein und verstehen nicht warum ich ablehne... Daher sind meine sportlichen Betätigungen auf Schwimmen und gelegentliches Nordic Walking beschränkt. Aber das Schwimmbad ist der Hammer, wenn man nur die überfüllten Berliner Schwimmhallen gewöhnt ist, in denen schwimmen mehr ein Slalom als alles andere ist. 

Mein Dorf ist ruhig - Sylvester bedeutet max. eine halbe Stunde Feuerwerk und Knallerei, während man sich in Berlin an 24 Stunden Dauerfeuer zu gewöhnen hatte - zumindest in einigen Ortsteilen wie der Gropiusstadt,  wo ich zuletzt wohnte.

Und last but not least - die Erdbeeren! Ich habe fast jahrzehntelang keinen Erdbeeren mehr gegessen, weil sie nur noch nach Wasser schmeckten - und hier? Mir sind im ersten Frühsommer den ich hier erlebte fast die Tränen gekommen, als mir klar wurde, dass man sie hier sogar noch selbst pflücken - aber auf jeden Fall günstig auf den Plantagen kaufen kann - und dass sie absolut wie Erdbeeren schmecken, so wie ich sie aus meiner Kindheit kenne!

Und die wunderschöne Landschaft, die anzuschauen ich nie müde werde, egal zu welcher Jahreszeit. Hier kann man mit uralten Bäumen sprechen und ihren geheimnisvollen Geschichten lauschen, der Himmel ist voller Greifvögel, allen voran Milane, die manchmal so tief herunterkommen, dass man unwillkürlich den Kopf einzieht, weil sie riesig sind, Schwalben, die unter fast jedem First nisten und die Tauben der Züchter sind - außer ein paar Waldtauben - so ziemlich die einzigen die hier im Schwarm herumfliegen.

Murmelnde Bächlein, ab und zu mal ein Reiher auf dem Dach, und Störche...

 

Hunde werde ich nicht mehr haben. Selbst der älteste und lahmarschigste Dackel will noch laufen und meine Füße machen nicht mehr so richtig mit. Außerdem gibt es kaum einen Ort wo man Hunde ohne Leine laufen lassen kann und das war noch nie mein Ding.

Also habe ich jetzt wieder Katzen; eine im Haus, drei im Garten. 

Die erste Mieze die hier einzog war natürlich eine Samtpfote aus dem Tierschutz. Ich wollte eine ältere Katze haben, eine, die kaum auf Vermittlung Chancen hatte.

Und da war sie.

Sie hieß Hanne, aber ich habe sie Henny genannt.

Als sie einzog war sie ca. 7 Jahre alt und klapperdürr, konnte nicht fressen weil sie Herpes im Rachen und noch so alles mögliche hatte. Alle alternativen Behandlungsversuche scheiterten, so dass letztlich nur ein Dauerbeschuss mit Cortison übrigblieb, der ihr zumindest drei Jahre lang ein lebenswertes Leben ermöglichte.

Am Ende hat es sie dann umgebracht, als ihre Nieren versagten. 

Ich denke aber, dass sie drei Jahre hier sehr glücklich war. 

Am 2.Mai 2017 musste ich sie gehen lassen.

Sie war eine großartige Mäusejägerin, die nicht nur jagte sondern die Beute auch verspeiste, die Ratten vom Grundstück fernhielt und - zwar irritiert - akzeptierte, dass ich ihre Jagdbeute nicht innerhalb des Hause zu sehen wünschte. Dabei hat sie mir sogar mal einen kleinen Maulwurf angebracht. Vermutlich dachte sie, er gefiele mir besser als eine winzige Maus. 

Lange Zeit zum Trauern hatte ich nicht, denn seit anderthalb Jahren wartete er bereits.

Hase, mein Kellerkind.

Ein Prinz ohne Schwanz.

Er tauchte irgendwann im Garten auf, ängstlich und hungrig, und zunächst nur am Fressen interessiert. Er schien irgendwo in der Nachbarschaft zu wohnen, aber weder wurde er vermisst und gesucht noch kann man das geringste dagegen machen wenn eine Katze beschließt den Wohnort zu wechseln.

Eines Abends im Januar 16 - es war bitterkalt - flitzte er hinter mir ins Haus, rannte in den Keller und sah mich so bittend an dass ich leise weinend umfiel und ihm ein Lager und ein Katzenklo einrichtete.Der Keller ist groß und er spazierte dort und im Treppenhaus umher - gottlob geduldet von meinen katzenfreundlichen Nachbarn - klopfte regelmäßig an die Türen in der Hoffnung auf Einlass, und wurde auch schon mal aus Nachbars Schlafzimmer, bzw. seinem Bett, verjagt; aber er musste warten, denn Henny weigerte sich entschieden ihn als Nebenbuhler zu dulden.

Einen Tag nach Hennys Tod stand er vor der Tür.

Und so ließ ich ihn ein.

Wo er inzwischen zu einem absolut verwöhnten Prinzen mutiert ist.

 

Und dann wären da noch Kiu und Jule.

 

Jule war die erste. Sie - tut mir Leid, sie ist ein Kater, aber sie sieht einfach nicht so aus! - saß eines Nachts unter meinem Schlafzimmerfenster, ging mehrmals in eine Katzenfalle, die gar nicht für sie bestimmt war, und machte somit deutlich dass sie Hunger hatte. Also gewöhnte ich mir an jeden Abend eine Kleinigkeit für sie hinzustellen. Dann baute ich einen überdachten Futterplatz, damit die arme Kleine ihr Abendessen mit trockenem Pelz einnehmen konnte.

Und aus der Kleinigkeit wurde ein gut gefüllter Futternapf.

Sie kam jeden Abend zur gleichen Zeit - und kam sie einmal nicht wurde ich wuschig und suchte sie. Also gehörte sie zu mir.

 

Als sie begann das Revier mit steilem Schweif zu markieren  schwante mir schon, dass sie zur männlichen Gattung gehören könnte.

Sicher war ich mir, als Kiu auftauchte...

Er kam angeschlichen, ängstlich geduckt und dicht an die Sträucher gedrückt, immer auf dem Sprung notfalls sofort retirieren zu können. Da Jule ihm nichts übrig ließ gewöhnte ich mir also an zwei Näpfe zu füllen und ihm den einen hin zu schieben. Er fraß erst wenn ich gebührenden Abstand zu ihm einlegte, war aber immerhin nahe genug dass ich erkennen konnte, dass sein linkes Auge nicht in Ordnung war. Es schien vereitert und wirkte fast blind . Also bekam er ein Antibiotikum in sein Futter, das zu fressen er hungrig genug war. Nach kurzer Zeit war das Auge ausgeheilt und er scheint damit sehen zu können. 

Als er mutiger wurde fing er Streit mit Jule an - und als er eines Morgens total zerrauft, in jammervollstem Zustand und mit einem Auge, das kaum noch zu erkennen war, auftauchte, was zeigte, dass er wohl ordentlich die Jacke voll bekommen hatte, wurde klar dass sie beide unters Messer mussten. 

Das war im Februar 2016.

 

Kiu war zuerst dran - was zum einen daran lag, dass ich ihn als ersten zu packen kriegte und zum anderen daran, dass er wesentlich streitlustiger als Jule war - und ist. Er tobte in der Praxis wie ein Irrer und es brauchte drei Injektionen um ihn in Tiefschlaf zu versetzen. Die nächsten zwei Tage verbrachte er in einem leeren Kellergelass, wo er weder fraß noch das bereitgestellte Klo benutzte. Als ich ihn rausließ raste er panisch zunächst im Treppenhaus herum, sodann zur Haustür hinaus und über die Straße - gottlob ohne mit einem Auto zu kollidieren!

Abends kam er zur gewohnten Zeit - und tat so als wäre nichts geschehen. 

Also - nachtragend ist er jedenfalls nicht....

 

 

Vier Wochen später war Jule dran. Sie war nicht so aggressiv wie Kiu aber wesentlich ängstlicher. Als ein Nachbar neugierig in ihren Verschlag linste sprang sie panisch auf das einzige vorhandene Regalbrett - viel zu hoch und direkt unter der Decke - und weigerte sich drei Tage lang herunter zu kommen. Tierschutzfreundin Carolin beförderte sie schließlich mit dem Besenstiel abwärts - was sie ihr nie vergessen hat. 

Meine Nerven waren ein einziger Brei - aber es herrschte Ruhe im Garten. Die beiden sind die dicksten Freunde und wohnen inzwischen im Geräteschuppen, der wind- und regendicht gemacht wurde. Für den Winter haben sie strohgefüllte Hütten. Nur Hase ist außen vor. Er und Kiu können sich nicht leiden, was vermutlich daran liegt, dass ihm Kiu seinen Freund Jule abspenstig gemacht hat. 

Heute ist der 29.Dezember 2019.

Morgen wird Hase sterben. Seit zwei Monaten habe ich diesen Tag hinaus geschoben, weil ich mir einfach nicht sicher war ob er wirklich gehen will. Aber er kann nicht mehr und ich auch nicht. Er kann kaum noch fressen und seine Ausscheidungen sind nur Brühe. Er hat die Hälfte seines Gewichtes verloren und ist schwach. Seine Nieren  versagen. Ich weiß nicht, warum er so früh gehen muss, er kann kaum älter als 10 Jahre sein.

Es tut so weh.

30.12.2019

Nun ist er fort, mein kleiner Junge und er fehlt mir sehr.

Die letzte Untersuchung hatte ergeben dass nicht nur die Nieren kaputt waren, sondern dass er auch einen Tumor hatte. Es war höchste Zeit. Er liegt nun auf dem hiesigen Tierfriedhof, der sehr häßlich und sehr teuer ist, aber immerhin vorhanden. Nicht zu vergleichen mit Lise letzter Ruhestätte, aber das ist wohl eben Provinz. Jedenfalls wird er nicht zu Seife oder ähnlichem werden, sondern liegt friedlich unter einer Birke. Und da kann ich ihn besuchen.